Indict Us Too: Daniel Ellsberg & Cryptome’s John Young Demand U.S. Drop Charges Against Julian Assange

Democracy Now:

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Brecht im Alltag

In totalitären Regimen erreicht die Theatralität des Lebens ihren Höhepunkt und das politische Theater spielt keine große Rolle mehr. Im Leben der Bewohner eines totalitären Regimes, das von Politik und Ideologie durchdrungen ist, gibt es dafür einfach keinen Bedarf. Die Diktatoren spielen ihr Spiel im Radio, im Fernsehen, in Zeitungen, Zeitschriften und den offiziellen Internetmedien, und die Opposition spielt ihr Spiel in den sozialen Netzwerken im Untergrund. Wovon Brecht träumte, ist längst eingetreten: Nach dem Betrachten von YouTube-Videos, Memes oder Beiträgen in sozialen Netzwerken beginnt das Publikum zu reagieren, tauscht manchmal den Platz mit dem Autor und nutzt die Kommentarfunktion. So entsteht Tag für Tag ein endloser Metatext eines politischen Dramas. Der Empfänger ist zum Sender geworden, ein Dialog, wenn auch ungleich, ist entstanden. Die da oben nennen es gern Demokratie. Und all das wird mit dem Geld der Zuschauer aufrecht­erhalten: Sie sind es, die Steuern zur Unterstützung der offiziellen Propaganda zahlen und für die Opposition spenden. Diejenigen, die Interaktivität wünschen, gehen zu Kundgebungen.

—Irina Rastorgueva, »Das Russland-simulakrum«, (Berlin: Matthes & Seitz, 2022), 164-165.

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Der Kreml hat keine Angst vor Protesten, es ist ihm egal. Er hat in all den Jahren massenhaft Bereitschaftspolizei und Nationalgardisten produziert und ihnen grenzenlose Macht verliehen. Die Bürger können ruhig schlafen – es wird keine Revolution geben.

—Irina Rastorgueva, »Das Russland-simulakrum«, (Berlin: Matthes & Seitz, 2022), 103.

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Irina Scherbakova, Die Zeit:

Dönhoff-Preisträgerin: Die Historikerin Irina Scherbakowa © Henning Kretschmer für DIE ZEIT

Nun, wenn man sein Lebenswerk oder gar sein ganzes Leben von einer Diktatur zertreten sieht, seine Lebenswelt durch Stumpfsinn und Brutalität zerstört, besteht die Gefahr, aber auch die Verlockung der Hoffnungslosigkeit. Doch wo Hoffnung verschwindet, nimmt bald Verbitterung und Ohnmacht ihren Platz ein. Aber das ist genau das Ziel von Diktaturen wie jener in Russland.

Als ich vor vielen Jahren Frauen befragte, die Stalins Kerker und Gulags überlebt hatten (wir hatten damals noch keine Hoffnung auf die Wende), um zu begreifen wie man so etwas überhaupt überleben kann, sagten mir viele: Ich habe gehofft. Ich fragte: Worauf denn, im Angesicht von 25 Jahren Lagerstrafe? Und es kam die Antwort: Ich habe einfach nur gehofft.

Ω Ω Ω

Ich komme jetzt auf die Hoffnung zurück, und ich muss gestehen, dass es mir nicht leichtfiel, mir diese nach dem 24. Februar zu bewahren. Hoffnung worauf eigentlich? Auf unsere, wie es scheint, hoffnungslose Sache? Ich muss sagen, dass diese Hoffnung für mich in der Notwendigkeit eines schonungslosen Blicks besteht. Um zu verstehen, wie es zu dieser Katastrophe kommen konnte und was mit der russischen Gesellschaft passiert ist. Um sich der Ursachen und Folgen zu stellen und unsere Arbeit fortzusetzen.

Und genau das nenne ich „Russland verstehen“. Dieser Weg ist lang, er ist schwer, aber er ist unentbehrlich.

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„Discourse“


Again I have found a reply to a Mastodon post has me blocked from a user’s timeline, and browsing the timeline as an anonymous user I find posts and responses subsequent to mine has people comfortably agreeing with the original poster, the original author thanking people for their responses. This is not a passive sieving, but rather the very active, intentional construction of silos.

If you look at this guy’s timeline you find he is literally a basket weaver. The address of course is New Zealand. The responses to the post about book burning are pretty notable to me. „Let’s imagine you’d opened the cover and discovered that Mein Kampf was under it. The Protocols of the Elders of Zion. The Turner Diaries. The NZ shooter’s manifesto.“ You know, if I opened the cover of a book and found Mein Kampf I would honestly be really pleased to have a copy of Mein Kampf, because I can’t legally buy one here in Germany without a bunch of commentary telling me all the horrors Hitler’s 1925 book was going to create in the decades ahead. What if what I really want to do is read the book the way it was originally published? Nope, can’t do – too dangerous to trust you with this. I find this attitude quite troubling.

I wonder if when they block me various social media users righteously see me as a sort of living Hitler, their blocking of my Twitter or Mastodon account a sort of noble burning of Mein Kampf? Whew! Glad I torched that one in time, before it could take over Europe!

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Vormundschaft

FAZ:

Die amerikanische Regierung stellt Deutschland frei, welche Waffen es an die Ukraine liefern möchte. Mit dieser Feststellung reagierte die Sprecherin des Nationalen Sicherheitsrats in Washington am Mittwoch auf einen Bericht der F.A.Z. Den F.A.Z.-Informationen zufolge hat der Sicherheitsberater Präsident Bidens, Jake Sullivan, Deutschland ermuntert, der Ukraine Kampfpanzer des Typs Leopard 2 zu liefern.

That’s really quite an initial sentence.

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Die meisten meiner Freunde und Verwandten leben ein sehr durchschnittliches Leben: Sie sparen an Anschaffungen und Lebensmitteln, können sich aber eine Wohnung, ein Auto und einen Urlaub auf Kredit leisten. Sie sind kaum an Politik interessiert. Niemand ist überrascht von der Korruption. Und sie kochen ihren Borschtsch immer noch mit Fleisch. In Dörfern und Kleinstädten ist es schlimmer, dort gibt es keine Arbeit. Diejenigen, die es konnten, sind gegangen, der Rest betrinkt sich. Sie sind mehr an Politik interessiert. Sie sagen: »Die Amerikaner sind an allem schuldig, aber Putin ist ein harter Hund!« Es gibt diejenigen, die sagen: »Ja, das Leben unter Putin ist schlecht, aber wen soll ich wählen? Euren Nawalnyj? Er ist schlimmer als Putin.«

—Irina Rastorgueva, »Das Russland-simulakrum«, (Berlin: Matthes & Seitz, 2022), 76.

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07.12.1970

Donald Tusk:

„Man musste irgendetwas tun“
Mit dieser Geste hatten eigentlich alle irgendein Problem. Für den Ersten Sekretär der Kommunistischen Partei Polens, Władysław Gomułka, war der Besuch Willy Brandts die Krönung seiner jahrelangen Bemühungen um die Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze. Das war nicht einfach gewesen, auch weil Walter Ulbricht aus seinem Ärger kein Geheimnis machte: schließlich hatte die DDR die Grenze schon lange anerkannt – wozu brauchte Polen jetzt unbedingt auch die westdeutsche Bestätigung? Gomułka allerdings wusste genau, welche große Bedeutung für ihn eine solche Erklärung von beiden deutschen Staaten hatte, und deswegen sollte der Besuch Brandts zu seinem ganz persönlichen Triumph werden. Gomułka wollte im Mittelpunkt des Ereignisses stehen.

Objektiv gesehen, war der Besuch tatsächlich ein Erfolg für Warschau. Auf diese Weise war für die Bewohner der polnischen Westgebiete (also des vom Dritten Reich verlorenen Terrains) endlich die Zeit der Unsicherheit vorbei. Ob in Stettin oder Breslau – diese Unsicherheit war damals immer noch sehr gegenwärtig: die Menschen dachten, womöglich seien die Nachkriegs­grenzen nur ein Provisorium, das die nächste geopolitische Umwälzung nicht überleben würde.

Wenn Brandt vor dem Grabmal des Unbekannten Soldaten gekniet hätte: das hätte man noch in den offiziellen Narrativ einbauen können, aber vor dem Ghettodenkmal? Gomułkas Verlegenheit war auch deswegen so groß, weil dieser gerade erst vor zwanzig Monaten eine ekelhafte antisemitische Kampagne losgetreten hatte, wegen der Tausende polnischer Juden – Holocaust-Überlebende – das Land für immer verlassen hatten. Und die, die geblieben waren, verloren ihre Arbeitsplätze und wurden ziemlich grausam schikaniert. Auch das war ein Grund, warum der Kniefall vor dem Ghetto—Denkmal erfolgreich von der kommunistsichen Zensur aus dem kollektiven Gedächtnis der Polen für viele Jahre gelöscht wurde.

Ω Ω Ω

In einem Gespräch im Familienkreis beschrieb er [Brandt] seine Motive allerdings auf prosaischere und vielleicht auch ehrlichere Weise: „Man musste irgendetwas tun.“

Ω Ω Ω

…begannen kaum eine Woche nach dem Besuch Brandts ganz andere Ereignisse und Symbole, unsere Emotionen zu prägen.

Am 13. Dezember beschloss Gomułka eine drastische Erhöhung der Lebensmittel­preise. Schon am Tag darauf brachen Proteste aus, die von Polizei und Militär blutig niedergeschlagen wurden. In meiner Stadt brannte die Zentrale der Kommunistischen Partei, auf streikende Werftarbeiter und Demonstranten wurde in den Straßen geschossen, und zufällige Passanten niedergeknüppelt. Zum ersten Mal im Leben spürte ich am eigenen Leib, was Unterdrückung durch ein autoritäres System eigentlich heißt.

Zum Symbol des Jahres 1970 wurde also für mich, wie auch für das kollektive Gedächtnis der Polen, nicht die historische Geste Brandts, sondern Tote und Brände in den Straßen unserer Stadt. Ironie der Geschichte: dieser blutige Aufstand spielte sich ab in Danzig, Stettin und Elbing, also just in den Gebieten, deren Zugehörigkeit zu Polen gerade durch Gomułka und Brandt endgültig bestätigt worden war.

Ω Ω Ω

Aber kehren wir zurück zu den Worten Willy Brandts: „Man musste irgendetwas tun.“ Wenn ich heute zurück blicke, verstehe ich sehr gut, wie wichtig dieser ganz einfache Imperativ ist. Nicht endlos kombinieren und kalkulieren. Ich weiß ja nicht genau, wie es in Wirklichkeit ablief, aber ich will glauben, dass er niederkniete, weil „man etwas tun muss.“ So wie damals, als er eine norwegische Uniform anzog. So wie diese Polen, die unter Lebensgefahr in der Shoah Juden versteckten, so wie die Danziger Arbeiter, die sich den Panzern entgegen stellten. So wie heute die Frauen in Minsk, in Belarus, die demonstrieren, obwohl sie niedergeknüppelt werden. Ganz zu schweigen von den Helden des Warschauer Ghettos, die auch wussten, dass „man etwas tun musste“.

Diese essentielle Botschaft ist heute so gültig und so wichtig wie eh und je. Ich möchte sie allen Europäern widmen, und besonders den europäischen Politikern. Wenn wir unseren Werten treu bleiben wollen, dann müssen wir manchmal niederknien. Und manchmal auf den Barrikaden stehen. Mutig und kompromisslos im Angesicht des Bösen, bescheiden im Angesicht der Wahrheit und des Leidens. So wie Willy Brandt am 7. Dezember 1970.

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Simulakrum

Das Moskauer Stadtgericht gibt der Klage der Moskauer Staatsanwaltschaft statt und ordnet die Liquidation des Menschenrechtszentrums Memorial an. Die Staatsanwälte erinnern auch an die Tatsache, dass das Menschenrechtszentrum Proteste unterstützt hatte, die »auf die Destabilisierung des Landes abzielten«. Überdies zielten die von Memorial geführten Listen politischer Gefangener darauf ab, eine negative Haltung gegenüber dem Justizsystem zu erzeugen.

—Irina Rastorgueva, »Das Russland-simulakrum«, (Berlin: Matthes & Seitz, 2022), 53.

Reading Rastorgueva’s dispatches from Russia I am, as so frequently when reading about Russia, reminded of the US. Social media this morning is full of crowing about Warnock winning over Walker. A major battle has been won. Everything will change now. Victory is within our grasp.

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